Für die erste Ausschreibungsphase von peer³ ist das Schwerpunktthema Jugendmedienschutz. Aufgrund der Veränderungen der Medienlandschaft ist dieses Thema so aktuell wie selten zuvor. Mobile Endgeräte, user generated content und neue Formen der Interaktion und Kommunikation bringen neue Fragestellungen des Jugendmedienschutzes mit sich. Eine Reform des gesetzlichen Jugendmedienschutzes ist aktuell sowohl politisch als auch gesamtgesellschaftlich in der Diskussion.
Im Rahmen von peer³ wird Jugendmedienschutz nicht nur regulativ, wie im Gesetz vorgesehen verstanden, ein wesentlicher Fokus liegt auf (staatlichen) Instrumenten, durch die Aspekte eines positiven Jugendmedienschutzes reguliert werden können, wie beispielsweise die Förderung von Medienkompetenz und Selbstschutz, Informationsmöglichkeiten, Transparenz und Kooperationsaktivitäten (vgl. Dreyer 2011: 8). Für einen sicheren Umgang Heranwachsender mit und im Netz mit seinen diversen Aktivitätsfeldern, ist ein erweitertes Verständnis von Jugendmedienschutz sinnvoll, das auch angrenzende Themenfelder integriert, z. B. Persönlichkeits- und Datenschutz oder Fragen zum Urheberrecht. Wenn Jugendschutz umfassenden Kommunikations- und Interaktionsschutz bedeutet, gilt es sich mit aktivitätsbezogenen Schutzkonzepten auseinanderzusetzen (vgl. ebd.: 17) und dabei auch relevante Aspekte und Fragestellungen aus Sicht der pädagogischen Praxis aufzugreifen.

 Die Diskussion schließt allerdings oft genau diejenigen aus, die von den gesetzlichen Regelungen tangiert sind und im Zentrum der Bemühungen stehen (sollten): Jugendliche selbst sowie Fachkräfte in der pädagogischen Praxis kommen selten zur Sprache und ihre Perspektive findet sich nur in sehr wenigen Stellungnahmen wieder. peer³ setzt an dieser Leerstelle an und möchte den Dialog zum Thema Jugendmedienschutz anregen und stärken. Aspekte und Fragestellungen, die aus Sicht der Jugendlichen, die sich in peer³ geförderten Projekte engagieren, mit dem komplexen Thema Jugendmedienschutz in Verbindung stehen, sind hier (ggf. Link zur Videoantwort) zusammengestellt.

 Nachfolgender Text ist eine Zusammenfassung der Wahrnehmung von Pädagogen/-innen in den Projekten im Hinblick auf die Frage nach „Jugendmedienschutz – (k)ein Thema in unserem Projekt?“.

Die gesammelten Einschätzungen stellen die subjektiv wichtig erscheinenden Aspekte von Jugendmedienschutz in den folgenden Peer-Projekten dar:

  • Web-Scouts (Marion Nagel, Anne Petzold) angesiedelt bei media:port e. V. in Leipzig
  • JuMeX (Julian Kulasza), eine Kooperation der Berliner Hufeland-Schule und dem Medienkompetenzzentrum Pankow (mezen-berlin.de)
  • Medienscouts (Fabian Müller) im Landkreis Nürnberger Land, eine Zusammenarbeit des Kreisjugendring Nürnberger Land und der Mittelschule Altdorf sowie dem sonderpädagogischen Förderzentrum Lauf
  • Online-Scouts (Ulrike Gerhards, Lena Timmer) am städtischen Gymnasium in Ahlen, die mit der Jugendmedienbeauftragten der Stadt kooperieren
  • und dem Projekt peer2peer (Stephan Schölzel), das vom Infocafe einer städtischen Jugendeinrichtung, in Kooperation mit der Goetheschule Neu-Isenburg getragen wird.

 

Berührungspunkte des Jugendmedienschutzes mit unserem Projekt
Gemeinsam ist allen Aussagen, dass „Jugendmedienschutz“ eine Grundthematik eines jeden Projekts darstellt und über den gesamten Projektverlauf präsent und relevant ist. Die konkreten Berührungspunkte ergeben sich aus Erfahrungen, die die teilnehmenden Jugendlichen im Projektkontext als Web-/Medienscouts oder Medientrainer/-innen, beispielweise in Beratungssituationen und Aktivitäten mit anderen Jugendlichen machen sowie aus ihrem eigenen privaten Medienhandeln.

Aspekte, die unter dem Überthema Jugendmedienschutz in den Projekten bearbeitet werden, sind u. a. Cyber-Mobbing/-Grooming, Happy Slapping, Umgang mit persönlichen Daten, Privatsphäre-/Sicherheitseinstellungen, Altersfreigaben von Internetangeboten, Filmen oder Spielen, Abzocke, Urheberrecht. Nicht nur Jugendliche, mitunter auch Lehrkräfte, sind bezüglich dieser Themen häufig unsicher und kennen sich nicht gut genug aus.

Um hier Jugendliche zu einem souveränen und kompetenten Umgang zu führen, setzen sie sich in den Projekten im ersten Schritt mit Gefährdungen sowie den Chancen und Möglichkeiten des Internet auseinander und sensibilisieren  für Risiken, die das weltweite Netz für Kinder und Jugendliche birgt. Die Reflexion des eigenen Nutzungsverhaltens stellt dabei einen geeigneten Zugang dar, weil sie an den Erfahrungen Jugendlichen ansetzt und sich an deren Lebenswelt orientiert.  In der zweiten Phase werden die teilnehmenden Jugendlichen für ihre Mitschüler/-innen, andere Heranwachsende und auch für Erwachsene zu Multiplikatoren/-innen, aufgrund ihrer Kompetenz in Bezug auf Medien.

Formuliertes Ziel ist, dass die teilnehmenden Jugendlichen und zukünftigen „Medienscouts“ in der Lage sein sollten, relevante Fragestellung die in Bezug zum Jugendmedienschutz stehen zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren.

 Jugendmedienschutz – eine  herausfordernde Aufgabe in unserem Projekt
Hier werden auf zwei Ebenen Aspekte eingebracht: Einerseits werden Herausforderungen auf der Ebene der teilnehmenden Jugendlichen angesprochen, andererseits geht es um Problemstellungen auf institutionellen Seite. Schule, die sich v. a. im Rahmen von Ganztagsangeboten „vom reinen Lernort zum Lebensort“ wandelt, bietet nur begrenzte Möglichkeiten. In der Praxis sind es restriktive Vorgehen, wie Handy-/Smartphone-Verbote, Kinder- und Jugendschutzprogramme auf Schul-PCs, die den Risiken neuer Medien entgegenwirken sollen. Die Herausforderung besteht darin, vorhandenes Potential freizulegen, um das Thema Jugendmedienschutz aktiv anzugehen, Konzepte zu entwickeln und diese in angemessener Weise in die häufig engen Schulstrukturen zu integrieren und darin zu etablieren.

 Für medienpädagogische Einrichtungen kann sich die Auseinandersetzung mit dem Jugendmedienschutz als ein „Spannungsfeld zwischen handlungsorientierter Medienarbeit und bewahrpädagogischen Ansätzen“ darstellen. Auch eine handlungsorientierte Medienarbeit muss den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, daher bleibt die Auseinandersetzung bei Themenfeldern wie Pornografie oder Rechtsradikalismus eher auf einer „theoretischen Ebene“, was bedeutet, bestimmte Inhalte dürfen nicht zugänglich gemacht werden, obwohl das Wissen darum besteht, dass Jugendliche solche Seiten kennen/nutzen.

 Große Übereinstimmung unter den Projekten findet sich in Bezug auf die Herausforderung, den  Jugendlichen selbst das Thema Jugendmedienschutz näherzubringen. Die Begrifflichkeit „Jugendmedienschutz“ ist den meisten Heranwachsenden zwar bekannt, auch sind sie sich der Notwendigkeit des Jugendmedienschutzes im Web bewusst, doch fällt es ihnen schwer, konkrete Beispiele zu benennen – eine Ausnahme bilden „typische Sorgen im Umgang persönlicher Daten in Communitys“. Mangelnde Aufklärung (z. B. bei Sicherheitseinstellungen) und falsche Vorstellungen darüber, wie Jugendmedienschutz umgesetzt wird sowie, dass dieser im Allgemeinen einem Schutz- und nicht einem Strafgedanken folgt, sind Erfahrungen der pädagogischen Fachkräfte in den Projekten. Versteckt wird diese Unkenntnis häufig hinter einer „Ich-check-alles“-Fassade. Aufklärungsarbeit, Verständnis für Jugendmedienschutz schaffen, indem problembehaftete Verhaltensweisen und Inhalte im Netz beleuchtet werden und die eigene Verantwortung deutlich wird, werden als Möglichkeiten zu einem sichereren und souveränen Handeln im Netz genannt.

 Fazit

  • Die Einschätzung der Fachkräfte verdeutlicht, dass Jugendmedienschutz für junge Menschen ein schwer fassbares und komplexes Thema ist. Jugendliche nehmen kaum bis keine Abgrenzung der Bereiche vor. Risiken beispielsweise, die mit den Themen Datenschutz und Urheberrecht einhergehen, jedoch nur indirekt mit Jugendmedienschutz in Verbindung stehen, fassen sie ebenso darunter, wie tatsächliche Gefährdungsbereiche, z. B. „Abzocke“, Cyber-Mobbing oder entwicklungsbeeinträchtigende Darstellungen.
  • Daraus entsteht auf Seiten der Fachkräfte die Herausforderung, Jugendliche bei ihren Aktivitäten im Netz angemessen begleiten, umfassend aufklären, Unterstützung zu leisten und Anlaufstellen vermitteln zu können.
  • Strukturell bewegt sich der Jugendmedienschutz in verschiedenen Bereichen. So sind Jugendschutzgesetz, der Jugendmedienschutzstaatsvertrag und das Strafgesetzbuch als gesetzliche Grundlage zu sehen. Vielfältige Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Einflussbereichen bilden ein komplexes Konstrukt, das für Jugendliche, pädagogische Fachkräfte und Eltern oft schwer zu erfassen ist.
  • Unterstützungsbedarfe werden insofern offengelegt, als dass zunächst die Komplexität des Jugendmedienschutzes, für Fachkräfte wie für Herananwachsende, durch praxisrelevante lebensweltorientierte Fragestellungen greifbar/fassbar werden muss. Des Weiteren braucht es an der pädagogischen Praxis orientierte Handlungsangebote/Handreichungen, die die Erfahrungen der Jugendlichen mit diesem Thema zentral in den Blick nehmen. Die Initiative peer³ setzt daran an: peer³ will eine positiv und vor allem dialogische Auseinandersetzung anregen, methodische Ideen der Auseinandersetzung mit diesem Thema erproben und den Austausch ermöglichen.

 

 

Literatur:

Dreyer, Stephan (2011): Entwicklungspfade für ein netzwerkgerechtes Jugendmedienschutzrecht. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut. Online verfügbar: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/576